Teil 1 – Politisch-historische Einordnung
Teil 2 – Simon’sches Freiheitsstreben und Tessenows Trachten nach einer feudal-konservativen „Revolution“ erlauben in einem dualen DENK+MAHNMAL eine aufregende diskursive Zeitreise, die Kulturtouristen, Schulklassen und Studenten bis ins Ausland nach Steinhorst anziehen wird. Das Konzept: begegnung | debatten | kultur | jugend+familien hotel | Synthesis! verspricht eine lebendige Erinnerungs- und Begegnungskultur im Sinne nachhaltiger Ortsentwicklung!
Teil 3 – Müssen Mahnmale immer nur Orte eines traurigen Gedenkens sein? Kann nicht das Tessenow/Simon-DENK+MAHNMAL als ständiges Internationales Jugend-Kulturfestival betrieben werden, das mit Live-Musik, Kunstausstellungen und anderen internationalen Kultur-Darbietungen zu „der“ JUGENDATTRAKTION IN NDS wird – aber sich auch hautnah mit den dunklen und hellen Seiten der deutschen und europäischen Geschichte auseinandersetzt und austauscht? – Eine Veröffentlichung erfolgt, wenn die Akzeptanz unseres Nutzungsvorschlags eine realistische Unterstützung durch die Denkmalbehörden erfährt.
Küche frei?
So harmlos begann unsere Recherche im November 2022: Wir fragten bei der Gemeinde Steinhorst an, ob wir die Küche und ein paar Räume des „Haus der Gemeinde“ temporär für das Austesten eines neuen gastronomischen Konzepts anmieten können. Bürgermeister Pfeiff zeigte sich nicht abgeneigt, betonte aber auch, dass die Gemeinde dringend nach einem Käufer für das denkmalgeschützte Anwesen suche.
„Inklusionsurlaub miteinander und voneinander“ als Element auch des neuen Konzeptes.
Eine erste Idee stellten wir dem Steinhorster Gemeinderat im November 2022 vor: ein Inklusionshotel, in dem Familien mit Pflegeangehörigen miteinander und voneinander urlauben können. Der tägliche Pflegeaufwand soll von hoteleigenem Pflegepersonal zur Entlastung der Familien geleistet werden.
Wochen des Aktenstudiums und der Recherche legten die Gründe frei, warum die diversen Konzepte und Entwürfe, Machbarkeitsstudien, Ausstellungen und Workshops und sonstigen Initiativen durchweg scheiterten: an den stereotypen Einwänden der Landesdenkmalpflege in Braunschweig, die nicht nur das von dem vormodernen Architekten Tessenow geschaffene Schul- und Internatsgebäude, sondern die Gartenanlage gleich mit unter Denkmalschutz gestellt hatte, ohne die eigentlichen freigeistigen Initiatoren und Gründer großer Worte zu würdigen.
These: Nichts als „Tessenow“!
Stutzig machte uns recht schnell, dass der ursprüngliche Zweck des Gebäudes – Lehrlingsheim für jüdische Jugendliche – als eine Art profaner Nebensächlichkeit politisch kaum gewürdigt wurde. Bei genauerem Hinsehen schält sich jedoch heraus, dass von dem Gründer, Alexander Moritz Simon, und seiner nach dessen Ableben tätigen Simon’schen Stiftung ein reichsweites, ja sogar europaweites Freiheits- und Integrationssignal für die jüdischen Deutschen ausgegangen war. Simons Ansatz würde man heute vielleicht als „sanfte lnklusion“ beschreiben. Ängsten und Aversionen gegenüber den jüdisch Gläubigen sollten nach seinen Vorstellungen systematisch der Boden entzogen werden, um die 1871 verbriefte Gleichstellung der Juden Verfassungswirklichkeit werden zu lassen.
Und es gab auch keine besonderen Anstrengungen, das Steinhorster Geschehen in den Gesamtkontext der deutschen Geschichte einzuordnen (wilhelminisch-preußisches Reich mit all seinen politisch-antisemitischen Verstrickungen bis zur Installierung der NS-Diktatur mit ihrer Vernichtungsmaschinerie gegen politische Gegner, vor allem aber Juden und andere rassistisch Verfolgte).
Man könnte deshalb glauben, es habe sich bei Steinhorst um eine idyllische Insel gehandelt, an der der Kelch des Rassenwahns vorbeigezogen wäre, nur weil die Schule noch vor dem 1. Weltkrieg aus ökonomischen Gründen geschlossen wurde. Die simon’sche Gartenbauschule Ahlem legt einen anderen Blick frei: In den 1940er Jahren wurde dort durch die Gestapo gefoltert und gemordet, weit über 2.000 Menschen deportiert.
Auch gab es keine tiefergehende Kongruenz der geistigen Standorte von Simon und Tessenow, wie in den verschiedenen Denkmalbegründungen behauptet: Nur Tessenow war glühender Patriot und ein ausgewiesener Anhänger der vielfältigen Lebensreformbewegung, die er in der Gartenstadt Hellerau gestalterisch auslebte. – Simon war dagegen ein konservativer Bankier und Kosmopolit, als zeitweiliger Konsul in den USA kann man ihn getrost als frühen Globalisten bezeichnen. Er war vor allem ein aufgeklärter Humanist und Philanthrop, der die verarmten städtischen Juden in gediegene Handwerks- und landwirtschaftliche Berufe bringen wollte, um sie von dem negativen Image der wenig gelittenen Tandler und Haustürverkäufer zu befreien.
Antithese: „Diese Künstler … sind die (Vorkämpfer) und Repräsentanten des Faschismus in der Kunst.“
Der Berliner Kunst- und Theaterkritiker, Bruno E. Werner, schreibt im Mai 1933: Tessenow, Poelzig, Mies van der Rohe u.a. müssten vor „überzogener Kritik“ von NS-Vertretern in Schutz genommen werden, denn „diese Künstler und keine anderen sind die Repräsentanten des Faschismus in der Kunst! … Gerade (sie sind) auf ihre Weise Vorkämpfer der nationalen Gesinnung in der Kunst …, Männer, die dem Materialismus wie dem Liberalismus Feindschaft angesagt hatten.“ (zitiert nach Werner Durth, „Biographische Verpflechtungen 1900-1970“, ergänzte Auflage von 2001, S. 92).
Der Davidstern drückt mit seinen entgegengesetzt gedrehten und ineinander verschlungenen Dreiecken die sich ergänzenden Dualitäten von männlich-weiblich, Leben und Tod, Feuer und Wasser etc. aus. – Heute prägt der Davidstern die israelische Flagge und symbolisiert die Befreiung und die Wehrhaftigkeit der Juden.
Siedlungshäuser des zum „Gottbegnadeten“ Erkorenen als stilbildende „Puzzle“-Teile in Himmlers „Plan Ost“.
Tessenows Siedlerhäuser galten als Vorbild im permanent erweiterten, imperialen „Plan Ost“ zur Unterwerfung, Vertreibung und Vernichtung von 30 Millionen Slawen und Juden, um diese durch 5 Mio. „Volksdeutsche“ zu ersetzen. Mithilfe des einheitlichen agro-romantischen Siedlungsstils sollte sich der „Arier“ in Polen, Rusland und den sonstigen östlichen Kolonien „heimisch“ fühlen. Auch die Rückwirkungen dieses gleichgeschalteten Baustils auf das „Altreich“ wurde von Himmler antizipiert, um die – aus NS-Sicht- baulichen „Entartungen“ der Weimarer Republik später noch schleifen zu können.
Hitler und Goebbels haben Tessenows Beispiel gebendes Wirken hoch angerechnet, denn er war ein Meister der Vermittlung gleichgeschalteter Eindimensionalität an der TU Berlin, die sich bestens als „volksdeutsche“ Abgrenzungskultur begründen ließ. Vermutlich deshalb haben Hitler und Goebbels ihn in den „erlesenen“ NS-Olymp der 378 „unersetzlichen gottbegnadeten“ Kulturschaffenden aufgenommen, und ihm seine fehlende offene Parteinahme für das NS-Regime augenzwinkernd verziehen.
Synthese: begegnung | debatten | kultur | jugend+familien hotel | Synthesis! – gestaltet als MAHNMAL für das demokratische Freiheits- und Demokratiestreben der Simon’schen Ausbildungsstätten gegen völkische Ausgrenzung und Rassismus, einerseits, und als DENKMAL für den frühmodernen Architekten Tessenow.
Ahlems Vorbild folgend enstanden etwa 180 ähnliche Schulen der„Hachschara“-Bewegung in den 1940er Jahren, die aber aufgrund des fortgeschrittenen Nazi-Terrors nur noch der „Tauglichmachung“ für die Emigration dienten und von den Nazis mitunter sogar geduldet wurden. Einer behördlichen Hamburger Untersuchung zur Bevölkerungsentwicklung zufolge konnten über diese „Ausbildungsschiene“ etwa 66.500 Menschenleben vor ihrer Vernichtung gerettet werden.
Das Bestandsgebäude der Landwirtschaftsschule (rechts) soll weitestgehend im Original erhalten bleiben. Der damit verbundene Neubau links soll weitere Hotelzimmer und das Restaurant des begegnung | debatten | kultur | hotel Synthesis aufnehmen, und gleichzeitig als Mahnmal für das Freiheitsstreben Simons und seiner Lehrer- und Schülerschaft dienen. Diese Funktion übernimmt eine der Fassade vorgelagerte selbsttragende Stahlkonstruktion, sowie Skulpturen, die Elemente jüdischer Freiheits- und Kultursymbole wie den Davidstern, die Menora (Gottes Licht) oder die Chamsa (schützende Hand) künstlerisch integrieren.